Nur wer schweigt, kriegt Geld / OB

Weilheimer Tagblatt vom 20.7.2011 / Geothermiekraftwerk in der Lichtenau

Nur wer schweigt, kriegt Geld
VON BRIGITTE GRETSCHMANN 

„Erdwärme Oberland“ bietet nach Schadensmeldungen durch 3-D- Seismik Geld an – Bauern wollen nicht verkaufen 

Weilheim – Auch wenn das vorrangig zur Stromerzeugung geplante Geothermiekraftwerk „Lichtenau Süd“ vorerst auf Eis gelegt ist, in der Lichtenau ist das Thema noch nicht vom Tisch. Derzeit sprechen Mitarbeiter der Firma „Geothermie Allgäu“ bei Landwirten vor und wollen Grundstücke kaufen. Zudem wurde bekannt, dass die „Erdwärme Oberland“ bei Schadensmeldungen durch die 3-D-Seismik Geldzahlungen anbot, verbunden mit der Auflage, dass darüber Stillschweigen bewahrt werden müsse.

Dass das Kraftwerk „Lichtenau Süd“ vorerst auf Eis gelegt ist, ist Ergebnis der im Frühjahr vorgenommenen 3-D-Seismik.  Dabei  gingen von den weißen Spezialfahrzeugen Vibrationen aus, mit deren Hilfe von Fischen bis Oderding heißem Wasser im Erdinnern nachgespürt wurde. Nachdem diese Tests vorbei waren, gab es allerdings noch ein weiteres Ergebnis: Einige Hausbesitzer klagten über Schäden an Gebäuden.

Die „Erdwärme Oberland“ bot im Juni „aus Kulanz ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“, wie es im Schreiben an die Betroffenen heißt, eine Zahlung im niedrigen vierstelligen Bereich an, die war an eine Bedingung gekoppelt:  „Sie verpflichten sich, Dritten gegenüber Stillschweigen über diese Vereinbarung und die empfangenen Zahlungen zu bewahren“, heißt es in einem Brief, der der Heimatzeitung vorliegt,  „und verpflichten sich zu einer Rückzahlung für den Fall der Zuwiderhandlung“.

In der Lichtenau standen an dem Tag, an dem öffentlich geworden war, dass das Geothermiekraftwerk vorerst auf Eis gelegt ist, bei  Hans Pfluger Herren von der „Geothermie Allgäu“ vor der Haustür. Sie wollten eine 17 800 Quadratmeter große Wiese von ihm in unmittelbarer Nachbarschaft der DLR-Station erwerben.

Er wolle aber nicht an einen Investor verkaufen, schon gar nicht für Geothermie, sagte er gestern. Andere Lichtenauer Bauern teilen seine Einstellung, sei es Manfred Tür – „Ich brauche die Wiesen für meine Landwirtschaft“ -, sei es Michael Abenthum.

Von der „Geothermie Allgäu“, sie ist im Auftrag der Firma „Erdwärme Oberland“ unterwegs, sei erklärt worden, dass Flächen für eine Reinjektionsanlage oder auch ein Kraftwerk erworben werden sollen, hieß es aus Kreisen der Bauern. Die „Geothermie Allgäu“ bot dem Vernehmen nach das Zwei- bis Dreifache jener ein bis zwei Euro, die derzeit in etwa für den Quadratmeter landwirtschaftlichen Grund in dieser Gegend gezahlt werden.

Ob sich die Kraftwerks – Pläne durch diesen Boykott der Bauern verhindern lassen, ist offen: In der Lichtenau besitzen auch auswärtige Landwirte Flächen, und von diesen scheint zumindest einer verkaufswillig zu sein.

Auch DLR gegen das Geothermie – Projekt

Gegen geothermische Anlage in der Lichtenau hat sich auch die dortige Station  des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) positioniert. Deren stellvertretender Leiter Wolfgang Klaus Wiedemann sagte, dass in der Station „sehr präzise“ gearbeitet werden müsse, mit Geothermie – Anlage vertrage sich das nicht.

Ein Sprecher von „Erdwärme – Oberland“ bestätigte gestern, dass derzeit verschiedene Standortoptionen sondiert würden, und zwar für ein Geothermie – Kraftwerk ebenso, wie für Reinjektionsflächen. Auf diesen wird das in einem Kraftwerk hoch gepumpte  heiße Wasser wieder in das Erdinnere zurückgeführt. Auch das Areal auf dem das Geothermie – Kraftwerk „Lichtenau – Süd“ vorgesehen gewesen sei, werde erneut unter die Lupe genommen. „Es ist zu früh, über neue Standorte zu sprechen“, so der Sprecher.

Zahlen & Fakten  

Der Claim Weilheim,  in dem die „Erdwärme Oberland“ ihr Geothermie – Kraftwerk errichten möchte, reicht von Weilheim bis zum Ammersee und ist einer von sechs Claims im Landkreis. Laut bayerischem Wirtschaftsministerium ist ein Claim auf drei Jahre befristet und kann maximal auf acht Jahre verlängert werden, allerdings muss dann gebohrt worden sein.

Die Kosten für einen Claim liegen lt. Ministerium bei
3500 € für die Erlaubnis und 12 000 € für die Bewilligung.
Nach dem Erneuerbare – Energien – Gesetz (EEG) gelten derzeit folgende Vergütungssätze:
Grundvergütung:      16 Cent (ct) für die Kilowattstunde (kWh) Strom
Frühstarterbonus:       4 Cent / kWh (wenn Kraftwerk vor 1. Januar 2016 in Betrieb geht).
Wärmeauskopplung:  3 Cent / kWh .
Bei einer angenommenen Leistung von 8,5 Megawatt, Laufzeit von 8700 Std./Jahr und Nutzung von 20 Jahren ergibt sich ein Gesamtenergieertrag von 1480 Gigawattstunden und Einnahmen aus dem EEG von max. 340 Mio. Euro (mit Grundvergütung, Frühstarterbonus und Wärmeauskopplung).
gre/st