Ursache fluid-induzierter Erdbeben

Aus dem Expertenbericht – Abschlussbericht der Expertengruppe pdf (29. 10. 2010)

6.2 Standardmodell zur Ursache fluid-induzierter Erdbeben

Bereits seit den 1960er Jahren ist bekannt, dass Änderungen im Druck des Porenwassers Erdbeben auslösen können (z.B. Healy und andere, 1968). Man spricht in diesem Fall von „fluid-induzierten“ Erdbeben. Hierbei bedeutet die Vorsilbe „fluid“, dass Flüssigkeiten eine Rolle spielen, während induziert bedeutet, dass die Erdbeben durch menschliche Aktivitäten hervorgerufen wurden. Neben Änderungen im Porendruck (fluid-induziert) können Erdbeben auch durch Auflaständerungen (z.B. durch Bergbau) hervorgerufen werden.

Fluid-induzierte Erdbeben sind insbesondere bei der Verpressung flüssiger Abfälle im tiefen Untergrund bekannt.

Das größte Erdbeben, das nach derzeitigem Wissensstand auf diese Art menschlich verursacht wurde, fand am 9.8.1967 in der Nähe von Denver (USA) statt und hatte eine Magnitude von ca. M=5,5. Hierbei wurden insgesamt 620 Millionen Liter Flüssigkeit verpresst, wobei die mittlere Verpressungsrate 8 l/s und der maximale Bohrlochkopfdruck 72 bar betrugen (z.B. Nicholson und Wesson, 1990). Im Gegensatz zur tiefen Geothermie wird bei der Verpressung flüssiger Abfälle keine Flüssigkeit aus dem Untergrund entnommen sondern ausschließlich injiziert.

Ein weiteres Feld, bei dem Porendruckänderungen induzierte Seismizität verursachen können, ist das Befüllen von Wasserreservoiren hinter großen Staudämmen. Das größte allgemein anerkannte, durch Staudämme induzierte Erdbeben trat am 10.12.1967 in der Nähe des Koyna-Reservoir in Indien auf (z.B. Gupta und andere, 1969). Bei Staudämmen treten zusätzlich zur Porendruckänderung auch Änderung der Spannung durch Auflast auf.

Die tiefe Geothermie schließlich ist ein weiteres Beispiel,

bei dem bekannt ist, dass Erdbeben durch Porendruckänderungen verursacht werden können. Hierbei ist zwischen den sogenannten hydraulischen Stimulationen und dem Dauerbetrieb des geothermischen Kraftwerks zu unterscheiden. Wenn die Durchlässigkeit des Untergrundes nicht ausreicht, um ein geothermisches Kraftwerk zu betreiben, wird mit hohem Druck Wasser in das Bohrloch verpresst. Dieser Vorgang wird als hydraulische Stimulation oder als Wasser-Frac-Verfahren bezeichnet. Hierdurch werden neue Risse im Untergrund erzeugt oder bestehende aufgeweitet. Diese Rissbildungen, die in vielen Fällen erforderlich sind um ein geothermisches Reservoir zu erzeugen, entsprechen aus geophysikalischer Sicht kleinen Erdbeben.

Im Dauerbetrieb des Kraftwerks wird im Allgemeinen aus einem Bohrloch heißes Wasser entnommen. Nach der Nutzung zur Energiegewinnung oder zum Heizen wird das abgekühlte Wasser in einem zweiten Bohrloch anschließend wieder in den Untergrund verbracht. Auch im Dauerbetrieb können Erdbeben verursacht werden.

Die Erdbebentätigkeit bei Fluidinjektionen in tiefe Gesteinsschichten oder bei tiefer Geothermie hängt im Detail von verschiedenen Parametern wie z.B. der tektonischen Situation, dem Spannungsfeld, dem Druck und den Fließraten ab. Die beobachteten Erdbebentätigkeiten in den oben genannten Beispielen können deshalb nicht ohne weiteres auf das Geothermiekraftwerk Landau übertragen werden.

Die prinzipielle Ursache der fluidinduzierten Seismizität ist jedoch in allen Fällen vergleichbar und lässt sich durch das folgende Standardmodell erklären:

Das Gestein der Erdkruste ist nach derzeitigem Wissensstand überall auf der Welt gespannt.

Diese Spannungen werden durch tektonische Kräfte verursacht. Übersteigt die Scherspannung im Untergrund einen kritischen Wert critτ kommt es zu einem Scherbruch, der unabhängig von der Größe der Bruchfläche als „Erdbeben“ bezeichnet wird. Diese kritische Scherspannung wird auch als Scherfestigkeit bezeichnet. Hierbei treten Brüche insbesondere an bereits vorhandenen Schwächezonen der Erdkruste auf. Nach dem Mohr-Coulomb-Bruchkriterium kann die kritische Scherspannung critτ , bei der es zu Erdbeben kommt, durch die folgende Gleichung abgeschätzt werden: ( ) 0critfncrit P τσμτ +−= . Hierbei sind μ der Reibungskoeffizient, nσ die Normalspannung, die senkrecht auf der potenziellen Bruchfläche liegt, der Druck des Porenwassers und die kritische Scherspannung bei einer Normalspannung von 0, die auch als Kohäsion bezeichnet wird. Das Mohr-Coulomb-Bruchkriterium besagt, dass eine Spannung, die senkrecht auf der möglichen Bruchfläche liegt, dem möglichen Bruchprozess durch verstärkte Reibung entgegenwirkt. Je höher die Normalspannung fP 0critτ nσ ist desto höher muss die kritische Scherspannung critτ sein, damit es zum Scherbruch entlang einer Schwächzone kommt.
Der Porenwasserdruck wirkt dieser Normalspannung fP nσ entgegen. Durch eine Erhöhung des Porendrucks wird die Reibung herabgesetzt und die kritische Scherspannung critτ sinkt.

Zusammenfassung:

Die nach derzeitigem Stand der Wissenschaft anerkannte Theorie zur Ursache fluid-induzierter Erdbeben besagt, dass durch die Injektion von Wasser in tiefe Gesteinsschichten der Porenwasserdruck erhöht werden kann. Hierdurch wird die Scherfestigkeit auf präexistenten Scher-/Bruchflächen herabgesetzt. Wenn die Spannung im Gestein nun schon vorher nahe der Scherfestigkeit lag, kann dieses Herabsetzen dazu führen, dass die Scherspannung im Untergrund die Scherfestigkeit überschreitet und somit ein Erdbeben ausgelöst wird. Bei diesem Vorgang werden bereits im Untergrund vorhandene tektonische Spannungen abgebaut.

(Anmerkung / siehe oben: “Das Gestein der Erdkruste ist nach derzeitigem Wissensstand überall auf der Welt gespannt.”)


Erdbeben infolge von Druckabfall (Störfall / Ausfall Pumpen)

Landau-Erdbeben
Expertenbericht Seite 3:

Die nach derzeitigem Kenntnisstand wahrscheinlichste Ursache des Erdbebens ist eine Erhöhung des Porenwasserdrucks, die durch die Injektion von Wasser in tiefe Gesteinsschichten hervorgerufen wurde. Dies setzte die Scherfestigkeit des Untergrundes herab, so dass im Untergrund vorhandene tektonische Spannungen durch einen Scherbruch, dem Erdbeben, abgebaut wurden. Die vom Porenwasserdruck im Untergrundgestein abhängige Seismizität kann somit durch Reduktion der Fluidfließrate und des Fluiddruckes im Bohrloch reduziert werden. Die hydraulische Druckausbreitung erfolgt im Porenwasserraum und entlang von Klüften im Gestein des Untergrundes.

Dieser langsame Ausbreitungsvorgang führt zu einer zeitlichen Verzögerung zwischen der Änderung des hydraulischen Drucks am Bohrloch einer Geothermieanlage und der daraus folgenden Änderung des hydraulischen Drucks im weiter entfernten Gestein, der für die Erdbebentätigkeit verantwortlich ist. Tritt eine unerwünscht hohe Erdbebentätigkeit auf, kann der Prozess somit nicht sofort sondern nur zeitlich verzögert gestoppt werden.

zum Kraftwerksbetrieb Seite 30:

Der Start des Probebebetriebs begann am 21. November 2007 um 11:12 Uhr MEZ.
In den ersten anderthalb Jahren fanden insgesamt 52 Abschaltungen statt.

Am 15. August 2009 um 12:12 Uhr MESZ täuschte ein defekter Ölfühler einen Ölmangel in der OCR-Anlage vor. Die Folge war ein selbständiges Abschalten des Kraftwerkes verbunden mit einer Alarmierung des Bereitschaftsdienstes.
Der Injektionsdruck an der Bohrung GT La2 sank von 51 bar um 12:12 auf 25 bar um 12:30 Uhr MESZ und auf ca. 8 bar um 14 Uhr MESZ. Der Produktionsdruck sank von 23 bar um 12:12 Uhr MESZ auf ebenfalls 8 bar ab.
Um 14:11 Uhr MESZ kam es dann zu dem Erdbeben der Magnitude 2,7.
Die Produktion wurde um 16:07 Uhr MESZ wieder vollständig aufgenommen, die Injektion 10 Minuten später. Das Kraftwerk selbst ging um 16:22 Uhr MESZ wieder ans Netz. Der Injektionsdruck betrug um 18 Uhr MESZ 48 bar. Der beobachtete Druckaufbau nach einem kurzen Einschluss benötigt über einen Tag, um sein altes Druckniveau zu erreichen. Die Produktions- und Injektionsfließraten dagegen betrugen vor und nach dem Stillstand weiterhin ca. 70 l/s.

Aus dem Expertenbericht – Abschlussbericht der Expertengruppe pdf (29. 10. 2010)